AG Geschichte und Erinnerung

Veröffentlicht am 10.11.2017 in Allgemein
 

9. November 2017
Gedenkveranstaltung am Ettinghausenplatz-hier stand die Synagoge der Höchster Gemeinde

AG Geschichte und Erinnerung

Initiative zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus


Rede zur Pogromnacht in F.-Höchst am 9. November 1938, Petra Scharf


Guten Abend,
Wir erinnern heute wieder an den 9. November 1938, den Tag,
als an dieser Stelle die Synagoge geplündert und in Brand gesetzt wurde, keine Glocken läuteten und die Feuerwehr nur daneben stand, um das Übergreifen von Feuer auf die Nachbargebäude zu verhindern.
Wir trauern um die Verfolgten, Vertriebenen und Ermordeten der Nazidiktatur, seien es Juden, Sinti und Roma, Sozialdemokraten oder Kommunisten, bekennende Christen, Schwule, Kranke, Zwangsarbeiter oder andere, die den Nazis und ihren Helfern nicht gefielen.

Wir erinnern aber auch an Menschen, die Widerstand geleistet haben, denen eine antifaschistische, antirassistische Haltung wichtiger war als ein Amt zu behalten und mitzulaufen.

Daher hören wir heute Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy
Er entstammte der wohlhabenden bürgerlichen Familie Mendelssohn. Sein Großvater war der bedeutende Philosoph Moses Mendelssohn.
1809 wurde Felix in Hamburg geboren.
Er und seine Geschwister wurden christlich getauft. Auch die Eltern konvertierten zum Christentum.
Seine musikalischen Reisen führten ihn zu deutschen und europäischen Städten, auch nach Frankfurt (hier leitete er den berühmten Cäcilien-Verein).
Bekanntschaften oder auch Freundschaften schloss er u.a. mit Goethe, Carl Maria von Weber, Gioachino Rossini, Giacomo Meyerbeer.
Er bewarb sich als Leiter der Sing-Akademie in Berlin, wurde jedoch wahrscheinlich aus antisemitischen Gründen abgelehnt.
1845 ging er ein zweites Mal nach Leipzig als Leiter des Gewandhausorchesters, gründete dort auch ein Konservatorium.
Am 4. November 1847 (vor genau 170 Jahren) starb Felix Mendelssohn in Leipzig. Beerdigt ist er in Berlin- Kreuzberg auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof.
Ab 1933 wurden seine Werke kaum noch gespielt.

 

Die meisten Musiker mieden seine Werke. Eine Ausnahme war Wilhelm Furtwängler, der noch 1934 den „Sommernachtstraum“ aufführte.
Als in Leipzig 1936 das Mendelssohn-Denkmal entfernt wurde, trat Oberbürgermeister Carl Goerdeler aus Protest von seinem Amt zurück. Carl Goerdeler wurde später eine der zentralen Figuren des deutschen Widerstandes. Er wurde im August 1944 denunziert, vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. „Dass das gebildete Bürgertum mitmachte, so viele "Versager" hatte, das habe er nie verstanden“, erinnert sich seine Tochter in einem Interview der FAZ (2004) und denkt zornig an jene zurück, die sich von den Goerdelers abwandten, weil sie sich anders nicht trauten oder, schlimmer, es wollten.
Auch gestern, in der Diskussion nach dem Film „Nebel im August“ über die Euthanasie wurde daran erinnert, dass einige Ärzte sich geweigert hatten, Kranke oder Behinderte zu töten –sie haben Haltung gezeigt –und sie hatten deswegen keine Bedrohungen erlebt.
Was hätten also die Menschen noch 1936 verhindern können, wenn sich mehr getraut hätten? Wir wissen das nicht.
Wir wollen mit unserem Programm jedoch:
Erinnern für die Zukunft, so lautet der Vortrag von Barbara Wieland zum Gedenken an die jüdische Gemeinde Höchst, die evangelisch /katholische Veranstaltung findet im kath. Pfarrgemeindezentrum Zeilsheim am nächsten Donnerstag statt.
Einen Bogen zur Gegenwart spannen wir mit dem Theaterstück „BusStop“ am Wochenende darauf: im Kulturkeller zeigen am 18.und 19.11. die Höchster Senioreninitiative, der Bunte Tisch miteinander und der deutsch/pakistanische Verein PakBann selbst verfasste Szenen zu Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit.
Erinnern wollen wir auch an Helene und Emil Baum,
für sie wird am 27.11. um 17 Uhr eine Gedenktafel am Glockenspielhaus, ihrem letzten freiwilligen Wohnsitz vom heutigen Hausbesitzer Juwelier Bauer angebracht
Auch in der Leibnizschule passiert gerade ein interessantes künstlerisches und geschichtliches Projekt, von dem uns die Schüler und Schülerinnen mit ihren Lehrerinnen jetzt berichten: Erinnerungen lebendig erfahrbar machen, ist ihr Anliegen.
Wir wissen nicht, was man damals mit mehr Mut und Widerspruch hätte verhindern können, aber wir wissen:
Mit vielen immer gewaltsameren Schritten hatte eine rechtsgerichtete Partei, unterstützt von Menschen mit dem Ruf nach Ruhe und Ordnung, die Demokratie und den Rechtsstaat ausgehebelt und eine Diktatur errichtet, in der anders Denkende, anders Glaubende, anders Lebende verfolgt, eingesperrt, ermordet wurden. 3 Jahre nach dem Novemberpogrom wurde die industrielle Vernichtung in Gang gesetzt.
Und heute?
Da soll ein ehemaliger Ministerpräsident Roland Koch mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille ausgezeichnet werden, jemand, der die Wahl in Hessen gewonnen hat mit einer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, die so griffig in „Wo kann ich hier
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gegen Ausländer unterschreiben?“ Stimmung machte, und illegale Parteispenden mit „Vermächtnissen verstorbener Juden“ verschleiern wollte. Wir als Initiative finden das unmöglich!
Dieser Mensch ist dieser Medaille, die "zur Würdigung des Einsatzes für Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit verliehen" wird, nicht würdig.
In diesem Jahr wurden bisher etwa 200 Anschläge auf Unterkünfte für Geflüchtete, meist aus rechtsradikalen Motiven, verübt, zwar weniger als im letzten Jahr: aber das sind immer noch 200 Angriffe auf Menschen, die Menschlichkeit und auf den Rechtsstaat.
Ein Wahlergebnis von 13% für eine rechte Partei schockiert uns und lässt uns zweifeln, ob wir daraus gelernt haben.
Was finden Menschen an einer Partei, die ausgrenzt, hetzt und uns vorgeben will, wie wir sein müssen, um dazu zugehören?
Wir brauchen die Menschen mit ihrer Vielseitigkeit. Der genormte Mensch als Muster nimmt uns die Luft zum Leben. Wer bestimmt denn eine solche Norm, und wertet damit alles andere ab?
Dazu hat niemand ein Recht!
Wir haben aus der Vergangenheit gelernt: Abwerten und Ausgrenzen führt zu Massenmord und Krieg.
Waffen rasseln und laut Brüllen, sei es nach starken Männern oder mehr Militär, wirkt höchstens zerstörerisch, aber hilft nicht wirklich weiter.
Was sagen wir nun Menschen, die verunsichert sind und ein Gefühl von Heimat suchen?
Wir müssen ihre Bedürfnisse ernst nehmen, das heißt ja nicht, ihre Interpretation annehmen.
Der bekannte Schauspieler Hans-Werner Meyer sagt treffend:
„Heimatliebe heißt nicht Fremdenhass, sondern Verantwortungsbewusstsein für die Region in der man lebt.
Stolz zu sein auf die eigene Kultur, bedeutet nicht, andere Kulturen zu verachten, sondern zunächst einmal, sich für die eigene wirklich zu interessieren.
Integration heißt nicht Gleichgültigkeit kulturellen Unterschieden gegenüber, sondern aktives Teilnehmen an der Gestaltung der gemeinsamen Zukunft.“
Sich der eigenen Kultur bewusst werden, ist wichtig für eine positive Identifikation: Juden sind nicht nur Opfer, sie sind auch Teil derer, die im Mai 1945 Deutschland von den Nazis befreit hatten. Frauen tragen nicht nur die Last der Erziehung von Kindern, sie können sie auch stark machen gegen rechte Parolen, wie gegen übertriebenen Leistungsdruck – am besten mit den Männern zusammen, Zeit und Freiraum für Familie, setzt den Arbeitgebern Grenzen!!
Ja –Demokratie ist anstrengend, es erfordert lange Diskussionsprozesse, lähmt manchmal Entscheidungen, ist ein Hin-und Her der Meinungen. Die Politik scheint hilflos, manchmal ohnmächtig gegen Lobbyisten und Kapital.
Aber stimmt das?
Wir müssen Missstände klarer als bisher benennen und aufdecken. Dann fühlen sich die Menschen auch wieder ernst – und wahrgenommen.
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Wege müssen aufgezeigt und Lösungen ausgehandelt werden. Wenn es zu wenige bezahlbare Wohnungen gibt, sind nicht Geflüchtete daran schuld; sondern die Politiker, die nicht für soziale Wohnungen sorgen, die Immobilienspekulation zulassen und glauben, jeder muss für sich selbst sorgen. „Wer das nicht kann, hat halt Pech“ ? –Nein!
Wir können uns dafür einsetzen, dass Starke und Schwache gut leben können: denn wer weiß schon, wo man selbst in einigen Jahren steht, da können die Starken schwach und die Schwachen stark sein. Solidarität, Raum für Vielseitigkeit, Schutz für Hilfebedürftige, das alles hilft uns, Zuversicht zu haben, in Zukunft gut zu leben.
Politik bestimmen wir alle: ob wir uns beteiligen
oder nicht beteiligen,
und wie wir uns beteiligen: mit Hassparolen und gegen andere hetzend oder mit konstruktiven Vorschlägen und Taten.
Eine soziale Marktwirtschaft - möglichst international verankert mit fairen Handelsbedingungen – ist ein Weg dahin. Ein Europa, das zusammenhält, kann sich gegen die Zumutungen der Globalisierung wehren und dafür sorgen, dass sich auch in Afrika oder Asien die Lebensbedingungen bessern. Die Globalisierung lässt keinen Raum für Nationalismus: das käme den Internationalen Konzernen nur recht, wie wir jetzt wieder an den Steuerbetrügereien durch „paradise papers“ erfahren haben. Den Geldmarkt regulieren kann kein europäischer Staat alleine, nur in Zusammenarbeit kann das gelingen. Dafür muss sich Deutschland in Europa einsetzen.
Wir leben in einem wohlhabenden Land, wir haben seit 70 Jahren Frieden. Was wir erwirtschaften, muss fair produziert und verteilt werden!
Viele Menschen auch in Europa kämpfen gegen Rassissmus, Antisemitismus, Antiislamismus!
Wir sind in diesem Kampf nicht alleine. In Europa und Nachbarländern gibt es ein starkes Netzwerk, das Aktionen gegen rechts zusammenträgt: www.unitedagainstracism.org
Zweimal im Jahr vernetzen sich dort Antifaschist*innen international und tauschen ihre Erfahrungen aus. Stay United!
83 % der Wähler in Deutschland haben demokratische Parteien gewählt. Das können auch wieder mehr werden!
Nehmen wir heute diesen Appell von Fritz Bauer mit nach Hause: „Wir können aus der Erde keinen Himmel machen, aber jeder von uns kann etwas tun, damit sie nicht zur Hölle wird“

 


Wir wünschen allen einen guten Nachhauseweg!

 

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